In Australien verbreitet sich das Virus HTLV-1 und zählt weltweit mittlerweile über zehn Millionen Infizierte. Der Retrovirus ist seit rund 40 Jahren bekannt, dennoch gibt es bis heute kein Heilmittel gegen das mit HIV verwandte Virus. Bei jedem zehnten Infizierten kann HTLV-1 unangenehme Krankheiten wie Blutkrebs auslösen. Nach seiner Entdeckung im Jahr 1980 versank das gefährliche Virus in der Versenkung und erst jetzt schlagen Forscher Alarm.
Seit rund 40 Jahren bekannt
Von 60 Wissenschaftlern und Wissenschaftlerinnen erhielt die WHO nun einen offenen Brief und wird darin aufgefordert endlich Schritte gegen HTLV-1 zu unternehmen. Die Forscher wollen auf das gefährliche Virus aufmerksam machen und zeigen sich zugleich über ihre jahrzehntelange Untätigkeit enttäuscht.
Im Jahr 1980 entdeckte der Forscher Robert Gallo das HTLV-1 und sorgte für Aufsehen, weil es der erste Retrovirus war, welches Menschen infizieren kann. Retroviren transformieren die RNA ihres eigenen Erbguts in DNA und können über diesen Weg in das Erbgut eines Menschen eindringen.
Als Übertragungswege des HTLV-1 wurden ungeschützter Geschlechtsverkehr, Stillen, Nadeln, Transfusionen und Transplantationen ermittelt. Der Forschung wurde klar, dass das Virus eine rabiate Variante von Blutkrebs auslösen kann. Rund ein Jahr später geriet mit Aids ein neues Virus in den Fokus der Forschung und Öffentlichkeit. Bislang starben auf der ganzen Welt über 35 Millionen Menschen an Aids.
Retrovirus HTLV-1 aus dem Blickfeld geraten
HTLV-1 fiel dadurch unter das Radar der Wissenschaft und seine Erforschung quasi eingestellt. Die Liste der sexuell übertragbaren Krankheiten der WHO enthielt das HTLV-1 nicht einmal, doch mit dem offenen Brief der Forscher dürfte dies bald nicht mehr der Fall sein. Übertragen wird das Retrovirus nach Angaben der Wissenschaftler in 80 Prozent der Fälle beim Sex.
Die Aids-Forschung machte in den letzten Jahren enorme Fortschritte, weshalb Betroffene dank moderner Heilverfahren nahezu ein normales Leben führen können. Bei australische Ureinwohnern brach eine Epidemie mit HTLV-1 aus und lenkte die Medien auf das unbekannte Virus.
Studien zeigt erschreckende Daten
Eine Studie untersuchte 1.889 Aborigines, die in Zentralaustralien lebten und kamen zu einem erschreckenden Ergebnis. Jeder Zweite über 50-Jährige war mit HTLV-1 infiziert und sei eine bedenklich hohe Zahl. Robert Gallo hielt so eine hohe Zahl nicht für möglich. Die gleichen Forscher der ersten Studie publizierten im März die Ergebnisse einer zweiten Untersuchung.
Zahlreiche Infizierte zeigten ein massives Lungenleiden, die als Bronchiektasie bezeichnet wird und offenbar durch das HTLV-1 ausgelöst wurde. Ein Großteil der Betroffenen ist sich einer Infektion mit dem Retrovirus nicht bewusst. Bei drei bis fünf Prozent kann sich nach Jahrzehnten eine Adulte T-Zellen Leukämie entwickeln. Sechs bis neun Monate lang nach Entdeckung dieser schweren Turmorerkrankung sterben die meisten Patienten.
Aggressiver Retrovirus
Der Wissenschaftler Roger Taylor vom Imperial College London erforscht HTLV-1 seit etwa 30 Jahren und dennoch sei die Lebenserwartung betroffener Menschen kaum besser geworden, wie er feststellte.
Das aggressive Retrobvirus kann neben Blutkrebs bei rund drei Prozent der Infizierten eine Tropische Spastische Parese auslösen, die mit der Mutiple Sklerose verglichen werden kann. Eine wirkungsvolle Therapie zur Behandlung der Tropischen Spastischen Parese existiert bis heute nicht. Das Immunsystem kann durch HTLV-1 eine Schwächung erleiden, bei manchen Betroffenen treten Entzündungen der Augen und Haut auf.
Verbreitet ist HTLV-1 vor allem in Japan, Australien und ärmeren Ländern. Als möglichder Ursprung des Virus gilt aktuellen Forschungsdaten zufolge Afrika. Vor rund 40.000 Jahren könnte der Retrovirus durch Affen auf den Menschen übertragen worden sein.
Die tatsächliche Zahl der mit HTLV-1 infizierten Menschen dürfte nach Einschätzung der Forscher erheblich höher sein. In Westeuropa tragen schätzungsweise 30.000 Personen den Retrovirus in sich.
Wenn das Virus nicht umfassend erforscht werden sollte, könnte es sich stärker ausbreiten und weltweit Millionen weitere Menschen mit HTLV-1 infiziert werden.
Beitragsbild: @ depositphotos.com / bluebay2014
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